Weshalb gute Noten als Weihnachtsgeschenk oft eine Schnapsidee sind
Kolumne von Christian Rieder über den Abstecher ins Knusperhäuschen und das fragwürdigste Geschenk unterm Baum
Es gibt viele Wege, die Weihnachtsstimmung zu ruinieren: Man könnte den Weihnachtsbaum zu spät besorgen, sodass nur noch jene schiefen Gesellen übrig sind, die wie die tragischen Helden eines Sturmdramas in der Baumarktecke kauern. Oder man könnte wieder diese zeitlose Diskussion starten, ob Fondue Chinoise ein kulinarisches Erlebnis ist oder doch nur eine charmant maskierte Form kollektiven Zwangs. Doch der unangefochtene Garant für frostige Stimmung im Kerzenschein ist der Versuch, «gute Noten» als Weihnachtsgeschenk zu inszenieren.
Der Mythos der lernenden Weihnachtsengel
Die Idee klingt zunächst verführerisch: «Wenn du einen Sechser in Mathe nach Hause bringst, bekommst du ein neues Handy!» Es ist die perfekte Illusion: klare Ziele, Belohnungssysteme, messbare Ergebnisse – fast wie aus einem Managementratgeber. Doch wie so oft, wenn Theorie auf Realität trifft, funktioniert der Plan meist wie ein Stromkreis mit Wackelkontakt: nur selten und nie zuverlässig.
Das Problem ist vielschichtig. Zum einen: Noten sind keine Christbaumkugeln, die man nach Belieben auswählt und an den Ast hängt. Zum anderen: Das Handy ist kein Zauberstab, der die Widrigkeiten der Integralrechnung in ein vergnügliches Tetris verwandelt. Und schliesslich gibt es noch die Weihnachtszeit selbst, jene zauberhafte Phase des Jahres, in der Kerzenschein und Mailänderli ungleich faszinierender sind als der nächste Französischtest. Welches Kind setzt sich freiwillig mit dem Subjonctif auseinander, wenn es stattdessen Zimtsterne ausstechen oder eine epische Schneeballschlacht organisieren könnte?
Stille Nacht, heilige Schuldgefühle
Der eigentliche Showdown folgt jedoch unweigerlich, wenn die erwarteten Noten ausbleiben. Was passiert, wenn es nur für einen Viereinhalber reicht? Gibts dann nur den Gutschein für ein Skateboard, aber ohne Räder? Oder wird das Geschenk gleich ganz gestrichen? Das Kind hat sich womöglich abgerackert wie der Christbaumverkäufer im Eisregen, doch das reicht oft nicht für die Erwartungen von Mama und Papa, die plötzlich zu pädagogischen Investmentbankern mutieren: «Leistung = Rendite.» Und schon schlägt die festliche Stimmung in eisige Enttäuschung um.
Dabei ist die eigentliche Tragödie nicht der fehlende Sechser, sondern das entstehende Schuldgefühl. Das Einzige, was unterm Baum liegt, ist ein schlechtes Gewissen. Sollte das Kind am Weihnachtsabend glauben, dass es das Fest ruiniert hat, nur weil der Dreisatz mehr Fragezeichen als Antworten hinterlassen hat?
Die bessere Weihnachtsformel
Liebe Eltern, wir haben gute Nachrichten: Weihnachten dreht sich nicht um Schulnoten. Viel wichtiger als ein Sechser in Mathe ist ein Kind, das den Mut hat, zu sagen: «Ich hab’s versucht.» Denn Lernen und echte Erfolge messen sich nicht in Zahlen, sondern in der Bereitschaft, sich Herausforderungen zu stellen – auch wenn der Gipfel noch nicht ganz erreicht ist.
Vielleicht ist es an der Zeit, die Massstäbe zu überdenken. Lobt den Einsatz, nicht das Ergebnis. Feiert den Weg, nicht nur das Ziel. Das echte Weihnachtswunder ist schliesslich nicht die perfekte Note, sondern die Erkenntnis, dass Lernen kein Sprint ist, sondern ein Orientierungslauf – oder, um im Festtagsjargon zu bleiben: ein langer Spaziergang durch einen verschneiten Winterwald, voller Umwege und schöner Aussichten. Und halt manchmal auch mit einem ernüchternden Abstecher ins Knusperhäuschen.
Ein kleiner Wunsch ans Christkind
Bei fit4school wissen wir, dass Lernen Zeit, Geduld und Erfolg manchmal auch ein wenig Unterstützung braucht. Vielleicht ist das wahre Geschenk in dieser Weihnachtszeit, die Freude am Lernen wiederzuentdecken – frei von Druck, jenseits von Notenzwängen, aber stets begleitet von der Gewissheit, dass jeder Fortschritt zählt.
Gute Noten gehören ins Zeugnis – und niemals unter den Weihnachtsbaum.
Christian Rieder
fit4school: https://fit4school.ch/