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Das Schweizer Original

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Multitasking: Sind wir dazu fähig?

In der heutigen Gesellschaft ist Multitasking, die gleichzeitige Erledigung mehrerer unabhängiger Aufgaben, allgegenwärtig. Ob bei der Arbeit, in der Schule oder im täglichen Leben, viele Menschen versuchen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Aber sind wir wirklich zum Multitasking fähig? Wir haben bei Pascal Ryf von fit4school nachgefragt.



Pascal Ryf, Sie sind Co-Leiter von fit4school, der grössten Organisation für ausserschulische Lernunterstützung der Schweiz, und Sie sind Verwaltungsratspräsident der educampus AG, Sie sitzen parallel in unzähligen Gremien und in Stiftungsräten. Sie sind aber auch Politiker, Parlamentarier, und Sie sind Präsident der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission im Kanton Basel-Landschaft. Da gibt es sicher sehr viele Aufgaben, die sie parallel erledigen müssen. Sind Sie zum Multitasking fähig?

Pascal Ryf: Leider nein. Wie wohl alle Menschen bin auch ich nicht in der Lage, zwei oder mehr unabhängige Aufgaben unmittelbar gleichzeitig konzentriert auszuführen, wenn sie nicht das gleiche Ziel haben.

Wie meinen Sie das?

Ich kann zum Beispiel durchaus genau zuhören und mir dabei zum Gesagten Notizen und Gedanken machen. Lese und beantworte ich allerdings parallel dazu Nachrichten auf dem Handy oder E-Mails zu einem ganz anderen Thema, also Multitasking, dann ist die Konzentration sowohl beim Schreiben als auch beim Zuhören nicht mehr gleich gegeben. Ehrlich gesagt mache ich es manchmal trotzdem. Aber es ist klar, die moderne Hirnforschung beweist, dass einzelne Aufgaben mit unterschiedlichen Zielen vom Gehirn hintereinander abgearbeitet werden müssen; gleichzeitig geht nicht. Die Aufmerksamkeit kann sozusagen im gleichen Moment tatsächlich nur einem Ort sein.

Betrifft dies auch das Treffen von mehreren Entscheidungen gleichzeitig?

Das betrifft ganz besonders Entscheidungen. Entscheidungen erfordern eine Art zentrale Aufmerksamkeit. Eine solche Aufmerksamkeit kann das Gehirn nicht teilen. Wenn also zwei Entscheidungsprozesse gleichzeitig ablaufen müssen, dann stören sich diese gegenseitig. Dies führt unweigerlich zu einer erhöhten Fehlerquote oder schlicht zu einer verlängerten Reaktionszeit.

Zum Beispiel das Thema Benutzung des Mobiltelefons beim Autofahren?

Genau! Ein Paradebeispiel – und hochgradig gefährlich! Beim Autofahren wie auch bei der Benutzung des Handys müssen wir sowohl visuelle Informationen aufnehmen als auch motorische Reaktionen steuern. Für sich alleine ist das kein Problem, also zum Beispiel auf die Kinder am Strassenrand achten und gleichzeitig den Blinker fürs Abbiegen setzen. Kommt nun aber das Handy dazu, schaffen wir schlicht nicht mehr alles gleichzeitig. Bis die Aufmerksamkeit wieder beim plötzlich auf die Strasse rennenden Kind und das sofortige Bremsen oder aber Ausweichen eingeleitet ist, dürfte es zu spät sein.

Aber in Ihrer hohen Arbeitsbelastung müssen Sie doch in der Lage sein, Arbeiten parallel auszuführen? Auch Ihr Tag hat ja nur 24 Stunden.

Das betrifft nicht nur mich, das betrifft wohl die allermeisten Menschen, vor allem auch Kinder und Jugendliche, Schülerinnen und Schüler. Es ist so, je besser jemand mit einer Aufgabe vertraut ist, desto schneller kann diese Person zwischen unterschiedlichen Aufgaben hin und her wechseln. Übung spielt also eine Rolle. Aber Vorsicht, auch Übung hilft beim auf die Strasse rennenden Kind nicht, – hier geht es um Millisekunden, die entscheidend sind!

Sie sagen, Übung spiele eine Rolle. Lassen sich auch Techniken lernen, um schneller zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her zu wechseln, zum Beispiel in der Schule und beim Lernen?

Ja, solche Techniken kann man sich aneignen. Wir vermitteln solche den Kindern und Jugendlichen deshalb auch gezielt in unseren Lernskilltrainings in den fit4school Lern- und Coachingcentern, genauso, wie wir ihnen zum Beispiel auch professionelle Techniken zum Notizenmachen bei gleichzeitigem Zuhören und Verstehen beibringen. Wir zeigen den Schülerinnen und Schülern aber auch, wie sie durch eine bewusste Reduktion von Multitasking-Aktivitäten die Produktivität und die Qualität ihres Lernens steigern können.

Aber es gibt Menschen, die behaupten fest, zum Multitasking fähig zu sein. Deshalb seien sie auch leistungsfähiger als andere.

Wie gesagt, echtes Multitasking ist für uns Menschen nicht möglich. Mit echtem Multitasking meine ich, zwei oder mehr unabhängige Aufgaben mit unterschiedlichem Ziel unmittelbar gleichzeitig auszuführen. Unser Gehirn ist nicht dafür gebaut. Tatsache ist: Multitasking macht uns unproduktiver und anfällig für Fehler. Versuchen sie mal zu jonglieren und gleichzeitig eine Rechenaufgabe zu lösen. Sie können auch mal versuchen, gleichzeitig im Geschichtsbuch zu lesen und dem Physiklehrer zuzuhören. Lassen Sie mich bitte gleich auch mit einer Mär aufräumen: Auch Frauen können kein Multitasking. Es gibt diesbezüglich keinen inhärenten Vorteil von Frauen gegenüber Männern.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 mit fast 7’000 Teilnehmenden hat allerdings etwas Interessantes zu Tage gefördert: Multitasking kann zu einer verbesserten Leistung führen, – zumindest, wenn Menschen glauben, dass sie Multitasking betreiben. Wenn eine Aufgabe als Multitasking und damit als schwierig wahrgenommen wird, kann sie tatsächlich zu einer höheren Leistung führen. Einbildung ist auch eine Bildung. Und manchmal kann diese sogar nützlich sein (lacht).

Sie sagen also, wir seien nicht zum Multitasking fähig. Aber weshalb ist das so?

Um eine Antwort zu geben, müssten wir tief in die moderne neurowissenschaftliche Forschung eintauchen, was den Rahmen dieses Interviews sprengen würde. Die begrenzten Aufmerksamkeitsressourcen, die begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, die Frage, ob verschiedene Hirnareale genutzt werden und das sogenannte «Binding» spielen dabei aber eine wichtige Rolle.

Was raten Sie Schülerinnen und Schülern?

Konzentriert Euch auf eine Aufgabe und haltet Euch von Ablenkungen fern! Damit könnt Ihr Eure Produktivität und Effizienz steigern und bessere Ergebnisse erzielen. Das gilt aber nicht nur für Euch als Schülerinnen und Schüler, sondern auch für den Berufsalltag. In der Konsequenz heisst das, Ihr müsst gut planen und Eure Aufgaben geschickt einteilen können. Beherrscht man das, kann das zum Beispiel auch in Prüfungen entscheidend für den Erfolg sein.

Könnte man die Sommerferien nutzen, um die eigenen Fähigkeiten auf diesem Feld zu stärken?

Oh ja, sehr gut sogar! Schülerinnen und Schüler können bei fit4school sogar speziell darauf ausgerichtete Lernskilltrainings während der Sommerferien belegen. In diesen einwöchigen Einzeltrainings geht es um Planung, Organisation und geschickte Einteilung von Aufgaben einerseits, andererseits um professionelle Techniken, mit denen man schneller zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her wechseln kann. Das sind Fähigkeiten, die sich im kommenden Schuljahr auszahlen werden, unabhängig vom jeweiligen Schulfach.

Und das Beste an diesen einwöchigen Einzeltrainings: Sie sind flexibel gestaltet und können sowohl am Morgen als auch am Nachmittag stattfinden. So haben die Schülerinnen und Schüler die volle Kontrolle darüber, ob sie den Morgen oder den Nachmittag frei haben möchten. Freizeit, Entspannung und Ausgleich sind wichtig. Dafür sind Ferien ja da!

Herr Ryf, vielen Dank für das Gespräch, – ich wünsche Ihnen entspannte Sommertage!

Das wünsche ich Ihnen auch – und bleiben Sie interessiert!



Das Interview führte Christian Rieder.

fit4school Blog | Nachhilfe & Lerncoachings

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